Dieser Prozess läuft in mir die ganze Zeit ab. Es spielt sich etwas in meinem Körper ab, dass ich nicht als angenehm empfinde. Ich ordne es in eine Kategorie ein z.B. Schmerz, Angst, Trauer oder Depression. Dann ist es schon nicht mehr bedrohlich weil ich es ja schon kenne. Jetzt erzähle ich mir noch eine Geschichte dazu und dann hab ich auch die Ursache. Fühlt sich auch gut an. Ich bin sicher. Ich weiß was es ist und ich weiß wo es herkommt. Nur leider will es einfach nicht verschwinden.
Ich kann mich leider nicht mehr daran erinnern wie es für mich war als kleines Kind diesen Prozess das erste Mal durchzuführen. Wahrscheinlich ist für den Moment der körperliche Schmerz einem psychischen Wohlgefühl gewichen. Wahrscheinlich habe ich einer anderen Person die Schuld für meinen Schmerz in die Schuhe geschoben. Das muss sich gut angefühlt haben. Der Schmerz war für den Moment weg alles was ich jetzt noch hatte war meine Geschichte. Dieses Muster habe ich bis zum heutigen Tag unzählige Male wiederholt. Es ist meine Bewältigungsstrategie für schlechte Gefühle. Benennen und Erklärung finden bevorzugt externe Ursachen bevorzugt aus der Vergangenheit.
Wo ist das Problem? Wenn es hilft warum nicht weiter Geschichten um meinen Schmerz spinnen? Nun es ist wie mit Schmerzmitteln. Der Schmerz ist zwar nicht weg aber temporär fühle ich ihn nicht mehr. Allerdings bringt das Schmerzmittel seinen eigenen Schmerz mit sich. Genauso ist es mit den Geschichten die ich mir erzähle. Diese Geschichten werden zu meiner Identität. Werden zu mir. Ich erzähle sie mir immer und immer wieder. Spiele sie gedanklich immer wieder durch. Und halte somit den Schmerz am Leben. Nur das es jetzt psychischer Schmerz ist. Aber auch psychischer Schmerz tut weh. Also muss ich mir weiter Geschichten erzählen. Ein Teufelskreislauf.
Bei Missbrauchsopfern ist diese Problematik sehr eindeutig. Der körperliche Schmerz des Missbrauchs ist meistens längst verarbeitet. Aber an dem psychischen Schmerz wird festgehalten. Er wird immer und immer wieder gedanklich durchgespielt und somit am Leben erhalten. Könnte man die Geschichte einfach löschen wäre alles ok.
Aufhören Geschichten zu erzählen. Aufhören Emotionen zu benennen. Aufhören Emotionen als gut oder schlecht zu beurteilen das wäre die Lösung des Problems. Dann könnte ich die schlechten Gefühle direkt wahrnehmen. Nicht durch eine Repräsentation. Ich könnte den Schmerz der Intelligenz meines Körpers überlassen und die würde ihn fallen lassen wie eine heiße Kartoffel (wer würde sich schon bewusst selbst Schmerzen zufügen?).
Es wäre so einfach. Das Problem ist, dass ich das nicht will. Ich will den Schmerz nicht fühlen müssen. Ich fliehe lieber weiter in meine Geschichten. In meine Vergangenheit. In die Umstände meines Lebens. So richtig scheine ich die Nutzlosigkeit dieses Unterfangens also noch nicht begriffen zu haben (sonst würde ich es ja sein lassen). Wahrscheinlich muss ich noch oft genug scheitern um es zu begreifen. Aber die Anfänge sind gemacht. In der Meditation wähle ich in letzter Zeit bewusst Haltungen die mir körperliche Schmerzen verursachen. Ähnlich dem Fakir der seinen Körper auf dem Nagelbett malträtiert. Freund geschweige denn Eins mit meinem Schmerz bin ich noch nicht geworden aber wir sind auch keine Todfeinde mehr :)
Die Lösung des Problems liegt nicht darin sich seinen Widerstand zu verbieten. Zu sagen ich darf meinen Schmerz jetzt nicht mehr benennen. Die Lösung liegt darin den Widerstand und die Benennung in aller Stille zu beobachten. Natürlich wird man dazu hingerissen sein den Widerstand gedanklich beseitigen zu wollen aber das ist der wie der Versuch des uróboros (einer Schlange) seinen eigenen Schwanz zu fressen. Der einzige Ausweg ist das stille Beobachten. Das Beobachten der Benennung, des Widerstandes, des Widerstandes gegen den Widerstand usw.
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