Montag, 16. August 2010

Denksucht

Bis vor ca 3 Jahren habe ich Kette geraucht. Mein durchschnittlicher Verbrauch dürfte bei 2-3 Schachteln Luckies am Tag gelegen haben. Es fällt mir heute schwer mich in meine damaligen Denkmuster zurückzuversetzen. Ich weiß nur noch, dass ich verzweifelt darüber nachgedacht habe wie ich diesen Dämonen aus meinem Leben verbannen kann. Glücklicherweise stieß ich auf Allen Carr's Buch "Endlich Nichtraucher" welches ich jedem unfreiwilligem Raucher nur wärmstens ans Herz legen kann. Allen Carr fordert den Leser auf während der Lektüre seines Buches weiterzurauchen. Er erklärt, dass die Zigarette die Fluchttür des Rauchers ist. Wenn er im Stress ist oder sich unwohl fühlt zündet er sich einfach eine Ziese an. Allein der Gedanke auf diese Fluchtmöglichkeit verzichten zu müssen erzeugt Angst. Was macht ein Raucher also wenn man ihm sagt hör auf zu rauchen? Er steckt sich eine an. Ich konnte mir damals durchaus vorstellen, dass ein Leben ohne Zigaretten möglich wäre aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich ohne die Dinger je wieder glücklich werden könnte.

Eckhardt Tolle hat einmal gesagt, dass wir süchtig nach dem Denken sind. Fundament unserer Kultur ist das berühmte "ich denke also bin ich". Wir werden von klein auf darauf konditioniert, dass die Antwort auf alle Probleme und Sorgen im Denken zu finden ist. Wenn wir ein Problem nicht lösen können liegt das einfach daran, dass wir nicht richtig darüber nachdenken. Gut denken zu können ist Grundvoraussetzung um in unserer Gesellschaft Erfolg zu haben. Diese Prinzipien habe ich gut verinnerlicht. Ich denke ständig über irgendetwas nach. Bevorzugt natürlich über mich selbst. Über das was mit mir passiert ist oder was mit mir passieren wird. Ständig spielen sich irgendwelche Tagträumereien in meinem Kopf ab. Ich denke von morgens bis abends so oft ich nur kann. Nur, glücklich geworden bin ich dadurch nicht. Mich quält diese ständige Denkerei. Alles muss ich immer bis ins 1000. analysieren und wenn ich nicht weiterkomme fange ich wieder von vorne an. Ich bin ein Junkie! Um von meiner Droge runterzukommen gibt es natürlich viele Mittel. Ich kann mich mit Alkohol, Drogen oder Medikamenten vergiften um meine Denkprozesse lahm zu legen. Oder ich kann mich extrem beim Sport auspowern. Den ganzen Tag lang Glotze gucken oder Computer spielen ist natürlich auch eine Möglichkeit. Meine neueste Ersatzdroge ist die Spiritualität. Aber selbst deren Wirkung läßt schon wieder nach. Wie ein Krake habe sich meine Gedanken auch in diesem Bereich eingenistet.

Wie beim Rauchen habe ich beim Denken das Gefühl, dass ich ohne das Denken nicht glücklich leben kann.  Der Gedanke nicht mehr zu denken macht mir Angst. Und was tue ich wenn ich Angst habe? Ich fliehe mich in meine Gedanken. Ich denke zum Beispiel darüber nach wie ich wohl mit dem Denken aufhören könnte. Oder wie es wohl so ist ohne das Denken. Innerlich will ich wohl eigentlich gar nicht mit dem Denken aufhören. Eines der zentralen Themen Tolle's ist die Freiheit von Gedanken. So wie ich ihn verstehe bedeutet Erleuchtung nicht, dass man nicht mehr in der Lage ist zu denken. Ein Erleuchteter kann durchaus noch den Fahrplan lesen oder einen Computer bedienen. Er ist nur nicht mehr in seinem Denken gefangen. Tolle stellt zu diesem Zweck Methoden zur Verfügung die die Aufmerksamkeit weg vom Strom der Gedanken lenken. Man kann sich vor seinen Gedanken beispielsweise in den jetzigen Moment oder in seinen Inneren Körper flüchten.
Diese Methoden haben für mich bis zu einem bestimmten Punkt gut funktioniert. Nur erleuchtet haben sie mich nicht! Wo liegt das Problem? Eine mögliche Antwort kam mir als ich Krishnamurti gelesen habe. Ich habe das Gefühl, dass ich angefangen habe eine leichte Verachtung für das Denken zu empfinden. Ich sage mir, dass ich mein Denken einfach nicht mehr so ernst nehme, dass sich das eh alles nur wiederholt und mich nicht wirklich weiter bringt. Wer verachtet da wen. Ich verachte mich. Gedanken verachten Gedanken. Und schon haben wir einen kleinen aber feinen Konflikt. Das Denken wird zum Feind. Oder bestenfalls zu einem Geduldetem in meinem Kopf. Aber auch der Gedanke "Ich dulde meinen Gedankenstrom" ist ein Gedanke. Ich möchte an dieser Stelle nicht falsch verstanden werden. Ich bin Eckhardt Tolle Eckhardt Tolle sehr dankbar für seine weisen Einsichten. Ich habe seine Bücher viele Male verschenkt und denke, dass er zu recht der bekannteste Autor in diesem Bereich ist.

Die Frage auf die es also für mich hinausläuft ist: Kann ich durch das Denken zur Erleuchtung gelangen? Jeder noch so kleine Widerstand jede noch so kleine Geringschätzung meines Denkens erzeugt einen kleinen gedanklichen Konflikt. Der Zustand der Erleuchtung ist so wie ich ihn mir vorstelle ein konfliktfreier Zustand. An dieser Stelle kommt für mich Krishnamurti ins Spiel. Er stellt fest, dass das Problem nicht das Denken ist sondern, dass das Denken nicht frei ist. Das wir uns selbst bestimmte Gedanken verbieten. Das wir es nicht wagen an bestimmte Fragen offen ranzugehen. Wenn wir zulassen würden, dass unser denken frei und ungehemmt an alle möglichen Fragen herantritt hätte das Denken die Möglichkeit aus seinen eigenen Gefängnissen auszubrechen. Aber da wir es mit Moral und Ethik gefangen halten kann es diesen Ausbruch nicht schaffen. Es ist leicht gesagt an alle möglichen Fragen offen und ohne Vorurteil heranzutreten. Aber kann ich Fragen wie zum Beispiel "Sollte ich mich vielleicht selbst umbringen (oder einen anderen), war Hitler wirklich ein schlechter Mensch oder ist ein Kinderficker auch ein Mensch wie ich?" offen und vorbehaltslos begegnen? Kann ich meine Vorurteile und Ängste beiseite schieben? Ich habe für mich persönlich festgestellt, dass ich da schnell an meine Grenzen Stoße. Mir bestimmte Fragen offen zu stellen ohne vorher die Antwort zu der ich gelangen möchte festzulegen macht mir Angst. Was passiert wenn ich vielleicht zu der Lösung gelange, dass es logisch ist mich selbst umzubringen? Könnte ich durch diese Art von Denken jegliche Schranke in meinem Kopf abbauen und dann anfangen wahllos mordend durch die Lande zu ziehen? Vielleicht lande ich auch in der Klapse weil ich jeglichen Bezug zur Realität verloren habe. All das sind Ängste die hochkommen. Krishnamurti sagt (so habe ich ihn verstanden) das genau das das Problem ist. Die Angst die wir vor einem wirklich freien Denken haben. Würden wir unser Denken von seinen Leinen der Angst befreien würde der Verstand anfangen sich selbst zu entwirren. Am Ende würde sich das Denken seiner eigenen Unzulänglichkeit bewusst werden. Es würde realisieren, dass die Antworten nicht in Worten zu finden sind und könnte aufhören Zwanghaft weiterzusuchen. Am Ende stünde die Gewissheit: "Ich weiß, dass ich nichts weiß". Aber ich kann meinem Denken nicht befehlen zu diesem Punkt zu gelangen ich kann es auch nicht dahin steuern. Es muss sich dieser Wahrheit selbst gewahr werden. Das Schiff muss sozusagen ohne Kapitän fahren, meine Angst ist nur, dass mein Schiff vor eine Klippe fährt!

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